Nach 5(!) Stunden dann doch die Abstimmung zum zweiten großen Tagesordnungspunkt der Sitzung des Ausschusses für Umwelt- und Klimaschutz.
Der größere Zeitanteil des gestrigen Abends wurde dem TOP 2 zuteil, in dem es um die Erhöhung des bestehenden Wasserrechts der Firma Storck um 175.000 m³ jährlich ging. Der denkwürdige Verlauf der Sitzung war der eigenwilligen Choreographie des Ausschussvorsitzenden Dieter Jung zur Wahlkampfhochzeit geschuldet (nur noch ein Dutzend Tage bis zur Kommunalwahl). Zur Abstimmung des TOP 2 hatte sich Jung etwas ganz besonders einfallen lassen. Er präsentierte die von ihm und seinen Vertrauten erstellte Beschlussvorschlagsvariante, welche zuvor den Ausschussmitgliedern der anderen Parteien nicht bekannt gemacht worden war.
Die folgende Gegenüberstellung der beiden Varianten biete ich hier meinen Lesern; so übersichtlich war es den Ausschussmitgliedern und Zuhörern nicht vergönnt.
Über welchen Mix im Detail, dem Ausschussvorsitzenden Jung war es ein Bedürfnis, über jeden Absatz einzeln abstimmen zu lassen, letztendlich mit 9:2 gegen die Stimmen der Grünen mit Ja gestimmt wurde, kann ich nicht reproduzieren. Ich baue auf das Protokoll der Sitzung.
Nr. | Beschlussvorschlag der Verwaltung | Beschlussvorschlag des Vorsitzenden |
1) | Gegen die Anträge bestehen bei Beachtung folgender Grundsätze keine Bedenken: | Die Stadt Halle hat wegen der „defizitären Entwicklung der Niederschläge der letzten Jahre und der tiefen Grundwasserstände“ (Seite 44 -5.1.2 des Erläuterungsberichtes) erhebliche Bedenken gegen die Vorhaben. |
2) | Die städtische Trinkwasserversorgung darf durch das beantragte Vorhaben nicht nachteilig beeinflusst werden. | Die Trinkwasserförderung in Halle zur Deckung des Bedarfes der Bevölkerung darf nicht nachteilig beeinflusst werden und muss auch weiterhin absoluten Vorrang vor anderweitigen Nutzungen haben. Dabei sind zukünftige Bedarfe der städtischen Trinkwasserversorgung zu berücksichtigen. |
3) | Auch für die Zulassung des vorzeitigen Beginns für den Wegfall der „Deckelung“ ist die Fahrweise der Altbrunnen so zu regeln, dass die Förderung bei Annäherung an ein vorgegebenes Absenkziel gedrosselt wird, so dass nicht mehr als das verfügbare Grundwasserdargebot gefördert werden kann. | Auch für die Zulassung……………..(Punkt 2 des Verwaltungsvorschlags….ok!) |
4) | Im prognostizierten Auswirkungsbereich des Neubrunnens sind die vorhandenen Hausbrunnen zu dokumentieren und das Messstellennetz zu erweitern. Der Auswirkungsbereich ist großzügig zu fassen. | Im großzügig zu fassenden Auswirkungsbereich der Altbrunnen und des beantragten Neubrunnens darf es nicht zu Vegetationsschädigenden [sic] Grundwasserabsenkungen und zu schädlichen Beeinträchtigungen der Hausbrunnen kommen. Dafür muss ein regelmäßiges und geeignetes Monitoring erfolgen. |
5) | Die Fa. Storck ist zu verpflichten, weiterhin wassersparende Maßnahmen im Betrieb zu prüfen, Niederschlagswasser vorrangig zu versickern und Trinkwasser durch Brauchwasser zu substituieren. | Die Fa. Storck ist zu verpflichten, zunächst weitere wassersparende Maßnahmen im Betrieb zu ergreifen, Niederschlagswasser vorrangig zu versickern und Trinkwasser durch Brauchwasser zu substituieren. Hierzu ist ein Konzept vorzulegen, das auf Wirksamkeit zu prüfen ist. |
6) | Die in der Stellungnahme der Naturschutzverbände dargelegten Bedenken insbesondere im Hinblick auf die Methodik und die dem Gutachten zugrunde liegenden Annahmen sind durch eine fachkundige neutrale Instanz zu bewerten. | |
7) | Bei der seit 2018 andauernden Dürre mir tiefen Grundwasserständen und deutlich sichtbaren Vegetationsschäden in Tatenhausener Wald erscheint die beantragte zusätzliche Wasserförderung aufgrund der tatsächlich nicht getrennten Grundwasserkörper zurzeit nicht verträglich. |
(Beschlusstexte aus Vorlage und präsentiertem Dokument des Ausschussvorsitzenden während der Sitzung, keine Hervorhebungen übernommen; Hervorhebg. T.D.)
3 kurze Gedanken zu meinen Hervorhebungen. Ad 6) „[…] eine fachkundige neutrale Instanz […]“: Wo wäre diese verortet? Wo ist die rechtliche Grundlage dieses Verfahrensvorschlages zu finden? Ad 7) „[…] der tatsächlich nicht getrennten Grundwasserkörper […]“: Ich bin kein Hydrologe, aber gestern Abend habe ich verstanden, dass die 2 Grundwasserstockwerke im dargestellten Bereich getrennt zu betrachten sind, sich gegenseitig nicht beeinflussen und Bäume nur im seltensten Fall Grundwasser „ziehen“.
Im TOP 3 ging es dann um die geplante Verlegung des Laibachs. Von Seiten der Fa. Storck wurde eine charmante Variante der Planung vorgestellt, welche eine Unterquerung einer Zuwegung im oberen Verlauf überflüssig macht. Während des Sitzungsverlaufes war zu beobachten, dass die Altvordere der Grünen Helga Lange Kontakt mit dem Ausschussmitglied Dr. Kirsten Witte aufnahm. Auch mit ihrem Mann tauschte Dr. Witte sich zwischenzeitlich aus, um anschließend dem Ausschussvorsitzenden Jung persönlich einen Zettel an seinen Platz zu bringen. Sollte selbst sie nicht mehr mitgehen?
Zur Bekanntmachung der diesmal vom Ausschussvorsitzenden gewünschten Beschlussideen platzten die letzten Hutschnüre der anderen Ausschussmitglieder. Vielleicht wäre im Vorlauf doch Zeit gewesen, sich auf die Suche nach Stimmen für eine Mehrheit zu machen. So haftet dieser Sitzung der Makel des Missbrauchs durch Elemente einer allzu offensichtlichen Wahlkampf-Show an. Auch Dr. Witte muss im Verlauf des Abends u.a. auch zu dieser Erkenntnis gelangt sein, das Abstimmungsergebnis 10:1 für Ja zur Beschlussvorlage der Verwaltung gegen die Stimme des Dieter Jung sprechen für sich.
Hier der Beschlussvorschlag der Verwaltung:
„Beschluss:
Die Offenlegung und naturnahe Gestaltung des Laibachs wird ausdrücklich begrüßt. Bei Eingriffen in den Waldbestand sind alle Möglichkeiten zu nutzen, um vor allem auch wertvollen und alten Baumbestand zu erhalten.
Auf Teilstrecken ist der Laibach recht gestreckt auf relativ schmaler Trasse geplant. Es ist zu prüfen, welche Optimierungen möglich sind, um dem Laibach mehr Raum zu geben.
Auf Grund des abschnittsweise relativ hohen Sohlgefälles sollte daher die Einrichtung eines Sandfangs geprüft werden.
Direkt südlich der Bahnlinie ist eine Brücke über den neuen Laibach geplant, die Verkehre auf das Werksgelände führen soll. Diese Brücke könnte entfallen, wenn der Weg südlich parallel zum Laibach geführt würde. Hierdurch würde sich auch auf der vorhandenen Wegeführung die kombinierte Nutzung als Zufahrt und als Fuß- Radweg erübrigen.“
siehe auch RIM der Stadt Halle
siehe auch LANUV
Nachtrag vom 3.9.2020: Links zur lokalen Berichterstattung
HK: Grünes Licht für Storcks Wasserpläne
WB: Mehrheit unterstützt den Storck-Antrag
WB: Wald bei Storck wird mehr geschont
Kommentar HK – online nicht verfügbar (3.9.2020 8:55)
Kommentar WB: Eine neutrale Instanz?
Planungswettbewerb
Nach aktueller Information der Verwaltung wird meine Anregung „in der nächsten, nach dem 3.9.2020 stattfindenden Sitzung des Fachausschusses behandelt werden“. Eine Nachricht, welche mich sehr beruhigt hat, kann ich doch daraus schließen, dass wir uns in Halle für die vom Baukulturbeirat vorgeschlagene Identitätsdiskussion und Planungswettbewerbe die hierfür notwendige Zeit nehmen. Bei einer Planung, welche das […]